Ein Bericht von Peter Reichardt
Sylt
Himmel und Meer, Dünen und Reet, Strandkörbe und Ferienglück – daran denken die meisten, wenn es um Sylt geht. Die Insel gilt als Ferieninsel der Deutschen schlechthin. Als Eiland der Reichen und Schönen, aber auch der Familien und Gesundheitsapostel. Rund 12.000 Strandkörbe gibt es auf der Insel, 49.000 Gästebetten stehen in den Sommermonaten zur Verfügung. Den 20.000 Syltern stehen jährlich 657.000 Besucher gegenüber. Mit 98 Quadratkilometer ist Sylt die größte deutsche Nordseeinsel. Geografisch auf der gleichen Höhe wie die englische Stadt Newcastle, die sibirische Stadt Omsk und der Südzipfel Alaskas. Rund 70 Prozent der Gesamtfläche Sylts stehen unter Naturschutz. Doch was macht die Faszination Sylt aus? Das so genannte Sylt-Phänomen nähert sich nicht nur aus Strandidylle, Wind und Wellen. Jeder Gast findet sein eigenes Highlight, seien es die Reetdächer, shoppen in der Hauptstadt Westerland oder vielleicht….. per Pedes…..durch Sylt.
Der Anfang
Im März 1982 trafen sich 15 sportliche Sylter, um vom Hörnumer Hafen bis nach List zu laufen. Zur Belohnung gab es eine Urkunde und weil es so schön war, wiederholte man dieses im Folgejahr; der Sylter Insellauf war geboren. 1995 wurde der Syltlauf unter die TOP-TEN der deutschen Volksläufe gewählt. Inzwischen ist es aus organisatorischen und sicherheitstechnischen Gründen nicht mehr möglich, dass jeder, der es wünscht, teilnehmen kann, man muss sich sehr früh anmelden (meist zum 01.07. des Vorjahres) und trotzdem entscheidet manchmal das Los. Und das, obwohl die Wetterbedingungen Mitte März auf Sylt sehr launisch sein können.
Vorbereitung
Die Erfolge im Sommer werden im Winter gemacht. Toller Spruch, aber nicht immer leicht, wenn am Sonntag um 8.30 Uhr der Wecker klingelt. Der Sommer ist noch weit und wir vermissen die Sonne. Sonntag für Sonntag. Draußen ist es noch dunkel und sibirisch kalt.
9.3o Uhr. Wie jede Woche um diese Zeit schnüren wir unsere Laufschuhe und spurten los.
Wir, das sind: Stephanie, Ralf und ich, sorry….Peter.
Unser Nachbar von gegenüber schüttelt missbilligend den Kopf. Seiner Meinung nach sollte man am Sonntagvormittag etwas Nützlicheres tun, als sinnlos durch die Gegend zu rennen.
Doch wir haben ein Ziel: Ralf und ich möchten zum 30. Syltlauf, Steffi kann sich zwar 33.333 m noch nicht vorstellen, ist aber immer dabei und motiviert uns mit ihrer guten Laune.
„Du brauchst dir doch nichts beweisen“, peitscht dieser elende Schweinehund schon wieder auf uns ein. Vor knapp 11 Monaten waren wir noch blutige Anfänger mit 13 kg mehr auf den Rippen (verzeih’ mir Ralf).
Gib auf, du hast heute genug geleistet. Vielleicht waren die knapp 11 Monate vom Anfängerkursus zum Syltlauf zu kurz, um sich von null auf 33.333 Meter zu katapultieren. Aber ohne die Vision, diesen Lauf zu bewältigen, hätten wir uns sicher nicht bei Wind und Wetter zum Laufen motivieren können.
Und da…., versunken in Gedanken und im rhythmischen Wettstreit mit unseren Schweinehunden konnten wir an einem Januar-Sonntag 29 km auf unserer Garmin ablesen.
Überfahrt
Endlich war es soweit. Am Samstag, den 19.März ging es mit dem Auto Richtung Niebüll. Von dort aus sind wir mit dem Autozug auf die Insel gefahren. Schon vor Monaten hatten wir uns eine Unterkunft gesucht.
Einziger Vermutstropfen dieser Reise; Ralf musste die Segel streichen und diesen Lauf absagen. Eine starke Grippe hatte ihn erwischt und so einen Start unmöglich gemacht. Samstag Nachmittag hieß es erst einmal für Wolfgang und mich, die Insel zu erkunden. Da ich meine ersten Schritte (vor ca. 50 Jahren) auf dieser Insel erlernt hatte, bot ich mich als Reiseführer an und so konnte auch Wolfgang diese Insel etwas kennen lernen. Nachmittags ging es dann Richtung Westerland, wo wir unsere Startunterlagen abholten und eine nette Pasta-Party genossen.
30. Syltlauf
Die Statistik vom Lauf:
- insgesamt 1336 Teilnehmer
- davon 262 Insulaner
- 32 aus dem Ausland (Dänen, Österreicher, Schweizer, Afrikaner)
- davon ca. 900 Einzelstarter
- Streckenrekord liegt bei 1:51:51
Gelaufen wird von Hörnum, ganz im Süden der Insel, über Rantum, Westerland, Wenningstedt, Kampen bis hoch nach List (Norden). Der Lauf findet grundsätzlich bei jedem Wind und Wetter statt. Bei zu extremen Bedingungen wie Orkan wird maximal die Strecke verkürzt (bisher insgesamt zweimal in der Geschichte des Syltlaufs vorgekommen), jedoch nicht ganz abgesagt. Der Transfer zum Startpunkt sowie vom Ziel wird durch Shuttlebusse realisiert. Die eigene Fahrt mit dem PKW nach Hörnum ist nicht möglich, da während des Laufs wichtige Straßen für den Privatverkehr gesperrt bleiben. Übrigens: alle Syltläufer haben bis einschließlich Montagmittag alle Busfahrten auf der Insel frei – also Startnummer als Fahrkarte nicht vergessen. Die Ehrung findet dann gegen 16.30 Uhr noch am selben Tag in Westerland statt. Zwischen Lauf und Siegerehrung bleibt also genug Zeit für Stärkung und frischmachen, z.B. beim Bad in der Sylter Welle (ebenfalls im Preis enthalten).
Mein Lauf
Wir wurden mit Sonnenstrahlen und blauem Himmel geweckt und der Wind blies leicht aus der richtigen Richtung. Solch ein Wetter gab es beim Syltlauf wohl die letzten 10 Jahre nicht.
Geschlafen hatten Wolfgang und ich sehr gut, und dann fing es an, frühstücken und Startvorbereitungen. Jeder hat so seine Rituale und die Nervosität stieg langsam.
Die große Preisfrage war die, welche Laufbekleidung ziehen wir an. Bloß nicht zu warm anziehen, war ja traumhaftes Wetter, aber der leichte Wind war noch kalt.
Da wir in Rantum wohnten und nach Hörnum mussten, machten wir uns rechtzeitig auf den Weg, um unseren Bus zu bekommen.
Dann ging alles sehr schnell……..ab zur Startlinie (im Kopf war noch die Klamottenfrage), aber beim Anblick der Läufer stellte ich fest, es war alles vertreten – von lang bis kurz.
…10…9…8…7…6…5…4…3…2…1…Schuss!
Los ging’s…bei super Wetter, leichtem Südwest-Wind und ca. 8 Grad liefen wir von Hörnum nach List. Der Lauf führte durch die traumhafte Landschaft von Sylt, vorbei an imposant bewachsenen Dünen, an denen man erst kilometerweit entlang und dann später im Norden kilometerweit hindurch läuft. Ich dachte immer, die Insel mit zwei Bergen wäre Lummerland……leider sollten erfahrene Läufer Recht behalten, denn ab der Hälfte der Strecke wurde es deutlich hügeliger. Ein, zwei lange, wenn auch natürlich nicht steile Anstiege, die teilweise kein Ende nehmen wollten. Der Höhepunkt war natürlich Westerland, dort waren auch die meisten Zuschauer, und es war schon ein klasse Gefühl hier zu laufen. Weiter ging’s Richtung Wenningstedt, dann Kampen immer weiter, immer, schwerer, immer höher. Richtung List dann durch die Dünen, teils konnte man das Wasser sehen, die schöne Landschaft genießen. Wolfgang wurde schneller, ich wurde langsamer….also habe ich mich alleine durchgeschlagen. Es wurde merklich schwerer und ab km 29 fingen die Beine an, sich bemerkbar zu machen. Die letzten Kilometer zogen sich hin und dann ein Schild, noch einen Kilometer, also Tempo erhöhen (je höher das Tempo, umso eher ist es vorbei!). Dann, nach 3:47:33 das Ziel…jaaaaaaaa !!!!!! Geschafft. Wolfgang, der seit 13 Minuten im Ziel war, brachte mir einen warmen Tee, mir wurde eine Medaille um den Hals gehängt und so stand ich erst einmal da, Luft holen und Beine ausschütteln. Auf das Fischbrötchen an der nahe gelegenen Gosch-Bude haben wir verzichtet, wir wollten unseren Magen nicht ärgern, eigentlich wollten wir nur noch eins, ins Hotel und….…….…DUUUSSSCCCHHHEEENNN.